In einer Krise wie der anhaltenden zwischen Israel und dem Libanon sind die Medien Match-entscheidend im Ringen um die öffentliche Meinung. Beide Konfliktparteien versuchen sich als Opfer darzustellen. Israels Pressestelle ist durch lange Jahre der Konflikterfahrung in diesem Versuch besonders geschickt. aus Haifa, Am Sonntag hat der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert die internationalen Medien angeklagt, dass „die massive, brutale und mörderische Bösartigkeit des Hizbullah leider nicht in seiner vollen Intensität auf den Fernsehbildschirmen ausserhalb von Israel zu sehen ist.“ Der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon, der nach der Entführung von zwei israelischen Soldaten am 12. Juli durch die Hizbullah begonnen hatte, unterscheidet sich in einem nicht von anderen Konflikten: Medien sind in der Vermittlung der Opferrolle entscheidend. Auf den israelischen Bildschirmen sind die mörderischen Folgen der Hizbullah Raketen, die bis jetzt 19 Zivilisten getötet haben, durchwegs und in Endlosschlaufen zu sehen. Von den 423 toten Libanesen, der halben Million Flüchtlinge und der Zerstörung im Libanon, wird dort jedoch wenig gesendet. Stattdessen erzeugen die Bilder von einschlagenden Raketen, Verletzten auf Krankenbahren, Zivilisten in Bunkern eine Vorstellung über die Situation im Norden, die keinen Reporter mit Freude erfüllte, der dort hin reisen muss. Wer es trotzdem tut, der stellt fest, dass die tödlichen Raketen zwar fallen, jedoch nicht in der Intensität, wie man sich das vorgestellt hat. Diese gemässigte Darstellung der mörderischen Bösartigkeit hat also wenig mit ausländischer Zensur zu tun. Sie zeigt viel mehr, dass die Raketen zwar Menschen töten, ängstigen und verletzten, die Folgen der Angriffe sich jedoch viel mehr in unspektakulären leeren Strassen und vollen Bunkern offenbaren. Diese Tatsache treibt manchen ausländischen Fernsehjournalisten zur Verzweiflung. Ein Journalist aus Deutschland, der eben aus dem Kongo angereist ist und aus Kostengründen nur einen Drehtag hat, ängstigt sich beispielsweise um seine Einschaltquoten: „Unsere Zuschauer, die wollen, dass es knallt. Jeder sagt, dass hier Krieg ist, da kann ich keine langweiligen Bilder liefern.“ In den Libanon wollte er nicht reisen, weil das zu gefährlich sei und eine Reise in den Gazastreifen kam nicht in Frage, weil er dort keinen Produzenten kannte. Mit dem Zynismus der unter leidgewohnten Kriegsreportern oft herrscht, sagt der Journalist: „Ich hoffe, dass morgen eine Rakete auf Nahariya niedergeht. Dann kann ich wenigstens hinter einer Bahre herlaufen.“ Die Hilfe aus der Pressemappe Im einzigen noch geöffneten Hotel in Nahariya trifft man vor allem israelische Journalisten, die zwar von unabhängiger Presse sprechen, jedoch auch ganz offen sagen: „Wenn das so weitergeht, dann rücke ich selbst wieder in die Armee ein.“ Wer keine Bilder braucht, der muss nicht unbedingt in den unsicheren Norden. Die staatliche Pressestelle verschickt jeden Tag e-mails, in denen nicht nur Pressekonferenzen angekündigt werden, sondern auch Touren mit der örtlichen Polizei in Haifa oder durch die Spitäler und Bunker. Die Mitarbeiter der Pressestelle bieten ihre Hilfe auch in der Themenfindung an, falls ein Journalist nichts zu schreiben weiss. Die Pressemappen enthalten zudem alle Informationen, die die Medienleute brauchen, um auch aus Jerusalem oder Tel Aviv eine dramatische Geschichte über den Norden zu schreiben. Die Mappe enthält nicht nur Angaben zu den verschiedenen Raketentypen der Hizbullah, sondern auch eine Karte mit den Ortschaften in Israel, die bereits getroffen worden sind, dazu auch ein kurzer historischer Abriss der Stadt, eine Rede des Ministerpräsidenten, die UN Resolution 1559 mit der Aufforderung zur Entwaffnung der Hizbullah, eine Liste mit Namen und Telefonnummern von Opfern, jeweils mit der Angabe ihrer Sprachkenntnisse (Englisch, Deutsch, Spanisch oder Russisch) und eine Namensliste mit Strategieexperten und Professoren. An Pressekonferenzen, die regelmässig mit den diensthabenden Generals und Militärvertretern abgehalten werden, fällt auf, dass kritische Fragen, zum Beispiel zur hohen Zahl der zivilen Opfer im Libanon, schlichtweg übergangen werden. Zynismus auf der Artilleriebasis Für einige ausländische Journalisten stellt sich zudem ein weiteres Problem: Im Nahost Konflikt sind die Meinungen auch in vielen Redaktionen bereits gemacht. Ein deutscher Reporter, der sich nach einer Woche im Norden, frustriert in Jerusalem niederlässt, sagt: „Die Verhältnismässigkeit stimmt einfach nicht. Aber anstatt mich in den Libanon zu schicken, muss ich hier die politischen Meinungen meiner Chefs illustrieren.“ Von der Unverhältnismässigkeit sprechen nicht nur die Opferzahlen, sondern auch die Angaben eines israelischen Brigade Generals: In der ersten Woche hat die Hizbullah 1000 Raketen auf Israel abgeschossen – viele von ihnen landeten im Meer oder im Umland, wo sie Brände verursachten. Israel hat mit 3000 Angriffen geantwortet und 1500 „Ziele eliminiert“. Von den israelischen Artilleriestellungen im Norden werden täglich 1500 bis 2500 Artilleriegranaten in den Südlibanon geschossen. Zu einigen dieser Artilleriestellungen organisiert die Pressestelle geführte Touren. Das Problem bei solchen Veranstaltungen ist, dass man nur die eine Seite sieht, bei der junge Soldaten saubere Granaten in die Panzer schieben, die dann mit viel Lärm, Rauch und Feuer in einen abendroten Himmel verschwinden. Das wiederum ergibt die vielen schönen Fotografien, die in diesen Tagen in den Medien kursieren. Die Zerstörung auf der anderen Seite sieht der Journalist nicht. Die Soldaten sagen Sätze in die Kamera wie: „Wir treffen nur die bösen Jungs, die Araber“, und die israelischen Journalisten antworten: „Wieviele Sprengköpfe schaffst du? Im Sechstage Krieg war ich auch in der Artillerie, ich habe vier in einer Minute geschafft.“ Wenn ein Soldat antwortet, dass er zum Thema Kriegmüdigkeit und Menschlichkeit gleich etwas sagen werde, wenn er mit Schiessen fertig sei, dann zeigt das nur einen Teil des Kriegszynismus. Der andere ist, dass der Fernsehjournalist, der ihm diese Frage gestellt hatte, die Antwort nicht mehr abwartet, weil er genügend rauchende Bilder in seiner Kamera hat.