Indien gilt als Land von Spiritualität und Yoga. Das macht Sri Sri Ravi Shankar zum grossen Geschäft. Der Guru hat Millionen von Anhängern in der ganzen Welt und eine eigens patentierte Atemtechnik. Shankars Berühmtheit will sich gar der indische Ministerpräsident zu Nutze machen.
Sri Sri Ravi Shankar sitzt in eine weisse Robe gehüllt auf einem bequemen Sessel auf einer Bühne in seinem Ashram im Freien. Eine Brise umspielt sein langes, braun gefärbtes, jedoch schütteres Haar. Wie jeden Abend sitzen Hunderte auf der Wiese zu seinen Füssen. Sie wollen mit ihrem Guru und spirituellen Führer atmen, ihm zuhören, ihm Fragen stellen.
«Art of Living» – die Kunst zu Leben – heisst die Organisation, die Sri Sri Ravi Shankar vor mehr als 30 Jahren gegründet hat. Seither folgen ihm Millionen von Sinnsuchenden. Freiwillige lehren Interessierten als erstes Sudarshan-Kriya, eine Atemtechnik, die der Guru sogar patentieren liess. Denn richtiges Atmen sei der Weg zu einem stressfreien Leben, propagiert der 60-Jährige
Altes neu verpackt
«Terrorismus, Gewalt, Stress – all das verängstigt die Menschen heute», sagt er im Gespräch mit Radio SRF. «Die Menschen leben in isolierten Gemeinschaften oder virtuellen Welten. Es liegt in unserer Verantwortung, sie wieder auf den richtigen Weg zu führen. Unsere Atemübungen und unsere Meditation sind die besten Methoden, um Wut und negative Emotionen aufzulösen.»
Sri Sri Ravi Shankar hat dabei vor allem eines gemacht: uralte Atemübungen aus dem Yoga modern verpackt. «Lernen Sie zu meditieren an nur zwei Tagen mit der Atemtechnik Sudarshan Kriya», so werden die sogenannten Happiness-Kurse auch in der Schweiz zu 340 Franken angeboten. Innere Zufriedenheit, bessere Konzentration und ein Anti-Aging-Effekt werden versprochen. Nebst den Kursen verkauft die Organisation auch ayurvedische Medizin, stärkende Milchshakes und Shampoos.
Ist Spiritualität heute also vor allem ein gutes Geschäft? Sri Sri Ravi Shankar verneint. Man müsse einfach nach heutigen, also nach marktwirtschaftlichen Spielregeln spielen. «Um Wissen zu verbreiten, braucht es verschiedene Organisationen. Wir haben eine Landwirtschafts-Stiftung, die indischen Bauern zeigt, wie man organische Nahrungsmittel anbaut. Wir führen Tausende von Gratis-Schulen, haben Kliniken, ernähren die Armen. Wer wohltätig sein will, braucht eine volle Reisschale.»
« Wer wohltätig sein will, braucht eine volle Reisschale. »
Sri Sri Ravi Shankar Indischer Guru
Fragen, wie viele Spendengelder der Organisation jährlich zufliessen, lächelt der Guru weg. Gottesmänner sind in Indien weitgehend von Steuern entbunden. Der Ashram, das religiöse Zentrum der Organisation, ist ein regelrechtes Unternehmen. Big is beautiful – gross ist schön – lautet die Devise. Unlängst veranstaltete «Art of Living» eine Grossveranstaltung in Delhi, an der mehr als eine Million Menschen teilnahmen, darunter viele nationale und internationale Politiker. Auf der Bühne stand Ministerpräsident Narendra Modi Schulter an Schulter mit Sri Sri Ravi Shankar.
Selbst dem IS Meditationskurse angeboten
Schon seit je her hätten sich Politiker in Indien mit Gurus umgeben, sagt Nirmalangshu Mukherji, emeritierter Philosophie-Professor der Universität Delhi. Einzig die Grösse der Imperien, die Sri Sri Ravi Shankar und Yoga Guru Ramdev, der ebenfalls einen grossen Nahrungsmittelvertrieb aufgebaut hat, seien extrem. «Politiker und Industrielle folgen ihnen, weil sie Heilsversprechen auf moderne Art und Weise verpacken und weil ihre Anhänger für die Politiker Millionen von potentiellen Wählerstimmen bedeuten.» Deshalb gebe es eine so starke Verknüpfung zwischen Gurus und Politikern. Am Ende ginge es jedoch lediglich um die Macht, Menschen zu kontrollieren und daraus politisches und wirtschaftliches Kapital zu schlagen.
Auch solche Kritik lächelt Sri Sri Ravi Shankar weg und wiederholt stattdessen, was er schon oft gesagt hat: «Liebe muss über die ganze Welt verteilt werden. Mein Ziel ist es, auf jedes Gesicht ein Lächeln zu zaubern.» Er verweist auf seine internationalen Erfolge. Die Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Farc, die er so erfolgreich vorangetrieben habe; die Meditationskurse in Gefängnissen, im Irak oder Afghanistan. Selbst dem IS hat er Meditationskurse angeboten. Vertreter der Terror-Organisation antworteten sofort – sie schickten ihm eine Todesdrohung.