In einer Hütte ausserhalb Davao City, Philippinen, 23. November 2016
„Als Junge, war ich Messdiener. Meine Mutter wollte immer, dass ich Priester werde.“ Er wurde nicht Priester, sondern Auftragsmörder. In den letzten zwei Monaten hat er fünf Personen umgebracht, das letzte Mal vor zwei Wochen. Seine Haut ist dunkel, seine Augen auch. Er sieht älter aus als 46. „Alles sind Drogendealer. Ich habe kein Mitleid, wenn ich sie töte, denn ich beobachte sie für eine Weile, um sicher zu sein, dass sie wirklich Drogendealer sind. Dann fahren wir los, mein Fahrer und ich auf einem Motorrad und ich erschiesse sie.“ Dutertes Drogenkrieg findet er gut. Nur die Umsetzung, die sei es nicht. Natürlich wäre es besser, die Drogenhändler zu verhaften, statt sie umzubringen, aber: „Ich helfe mit das Drogenproblem zu lösen, denn ich bringe nur Drogenbarone um. Kürzlich fragte mich ein Polizist, ob ich seine Frau erschiessen könne. Ich lehnte ab. Ich töte keine Frauen.“ Seit Dutertes Drogenkrieg hat er mehr Aufträge bekommen. „Ich kriege alle über Mittelsmänner von der Polizei. Die haben Quoten, aber sie wollen nicht selbst töten. Jemand könnte sie sehen und anklagen. Deshalb stellen sie mich an. Sie benutzen mich, die Regierung benutzt mich. Sie stecken hinter all dem hier. Es ist ein endloser Krieg.“ 30‘000 Pesos, 600 Dollar, pro Auftragsmord, das war der letzte Deal mit der Polizei. Früher kriegte er noch mehr. „Was mich wirklich wütend macht: Sie haben sich nie daran gehalten. Statt Geld geben sie mir Shabu und sagen: Geh, verkauf die Drogen, das ist dein Lohn.“ Natürlich weiss er, dass er mit dem Verkauf der Metamphetamine unterstützt, was er bekämpfen will. „Statt alle Drogenbosse zu töten, schaffen wir neue. Deshalb hasse ich dieses Geschäft.“ Begonnen hatte alles mit einem Freund. Der sagte: Lass uns Trophäen jagen und die gesuchten Leute umbringen, um das Kopfgeld einzustreichen. Erst später kamen die Auftragsmorde. „Ich wollte schnelles Geld, um meiner Familie alles zu ermöglichen, was sie wollte. Doch jetzt ist meine Familie zerbrochen und lebt wo anders und ich lebe in ständiger Angst.“
Seine Hand liegt auf seiner Bauchtasche. Darin hat er eine Pistole und eine kleine Bibel. Die zweite Pistole trägt er in einem Halfter an der Seite. Wenn ein Hund bellt, schreckt er zusammen: „Ich bin immer gestresst, schaue mich immer um. Ich bin müde, wirklich müde. Vor zwei Jahren kriegte ich acht Kugeln ab. Auftragsmörder einer anderen Gruppe wollten mich umbringen. Ich hörte, dass die Polizei dahinter steckte. Ich erschoss einen der Angreifer, doch danach versteckte ich mich zwei Jahre in einem sicheren Haus.“ In dieser Zeit verschwand auch seine Mutter. Er weiss nicht, wo sie ist. Doch er sagt, sie sei die einzige, die ihn verstehe, die das Gute in ihm sehen könne: „Ich sehne mich nach ihrer Liebe. Wenn ich sie nur wieder sehen und in die Arme nehmen könnte, wäre alles gut. Ich bin kein guter Mensch mehr, aber ich weiss, irgendwo in mir drinnen ist Gott.“ Er tupft sich mit einem Stofftaschentuch die Tränen ab. Ein sicherer Ort, das ist, was er sich wünscht. Dort würde er sich leicht fühlen, dort könnte er mit jenen sein, die er liebt. Er weiss, dass er nie mit seiner Familie sein kann, solange er als Auftragsmörder arbeitet. Zu gross sind die Gefahren für alle, die um ihn herum sind. Heute hat die Polizei zwei seiner Kollegen festgenommen. „Auch sie hatten für die Polizei gearbeitet. Jetzt wurden sie geopfert. Ich weiss, dass ich der nächste sein kann. Aber ich habe immer gesagt: Ich werde zurück schiessen. Wenn sie mich erwischen, dann werde ich nicht im Gefängnis landen, sondern auf dem Friedhof.“ Manchmal geht er in eine Kapelle, wo er eine Kerze anzündet und seine Sünden beichtet. „Ich bete um Vergebung, aber ich weiss, dass es nutzlos ist. Ich habe getötet. Dann verspreche ich, dass dies der letzte Mord war, wenn ich nur meine Mutter finde.“