Vor mehr als 2000 Jahren war Pakistan ein Zentrum des Buddhismus. Das Gandhara-Reich umfasste Teile von Afghanistan und Nordpakistan. Die ehemalige Hauptstadt Taxila etwa ist nur 30 Kilometer von Islamabad entfernt und gilt als eine der wichtigsten archäologischen Ausgrabungsstätten Asiens.
Aus Echo der Zeit vom 5.1.2015
Erhöht neben einer Schnellstrasse und hinter hohem Gras trohnt ein 15 Meter hoher halbkugelförmiger Sakralbau: eine Stupa. Der König hatte sie in Taxila vor mehr als 2300 Jahren als Grab- und Erinnerungsmal erbauen lassen. Taxila war damals die Hauptstadt des Gandhara-Reichs. Noch heute kommen Buddhisten aus China, Japan, Sri Lanka und Thailand hierher, um zu beten.
Doch viele sind es nicht. Pakistan ist kein Tourismus-Land und die meisten Bewohner der islamischen Republik interessieren sich nicht für ihr buddhistisches Erbe. An diesem Tag sitzen nur ein paar Schafhirten unter einem Baum in der Nähe der Stupa. Er komme jeden Tag hierher, um sich auszuruhen, sagt einer der Hirten. Aber was dieser Steinhaufen genau sei, wisse er nicht. Bestimmt sei er alt und wichtig.
Der Buddhismus ist aus dem heutigen Indien ins Gandhara-Reich gelangt. Von dort breitete er sich bis nach Ostasien und Japan aus. In Gandhara, das den Norden des heutigen Pakistans und Teile Afghanistans umfasst, entstanden die ersten bildlichen Darstellungen des erleuchteten Buddhas. Ein wichtiger buddhistischer Bildungsort entstand.
Neu eröffnetes Archäologie-Museum im Swat-Tal
In Gandhara verschmelzten die Kulturen aus dem Osten und Westen. Angesiedelt auf der Seidenstrasse und der Handelsstrasse zwischen Indien und China prägten persische, griechische, römische und asiatische Einflüssen das Reich. Das griechische Vermächtnis Alexanders des Grossen ist bis heute sichtbar: in der schachbrettartigen Planung der alten Städte, in den Toga-ähnlichen Kleidern Buddhas. Und manche Studien sagen gar, im genetischen Erbe der hellhäutigen, grossgewachsenen Paschtunen mit den scharfgeschnittenen Gesichtszügen.
Auch viele der Buddhas, die auf Stehlen und Reliefs verewigt wurden, weisen die feinen Gesichtszüge auf. Beinahe 3000 der wertvollen Kunstobjekte der Gandhara-Zeit sind im neuen archäologischen Museum im Swat-Tal ausgestellt. Der Kurator Faizul Rehman führt stolz durch die Ausstellung. Er zeigt auf ein Steinrelief, auf dem Buddha auf einem Pferd die Welt verlässt.
Den Taliban schutzlos ausgeliefert
Er sei stolz auf das buddhistische Erbe, auch wenn das einige im Tal anders sehen würden, sagt der Kurator. Dann wendet er sich einer Landkarte des Tals zu, die mit blauen Punkten gesprenkelt ist: 1400 buddhistische Stupas und Klöster gab es im Swat-Tal. Bei vielen von ihnen haben die archäologischen Grabungen noch nicht einmal begonnen, so Faizul Rehman weiter.
Bereits in den 1950er-Jahren begann ein italienisches Team von Archäologen mit Ausgrabungen. Ein italienischer Architekt baute wenige Jahre später das erste Museum in Mingora. Doch als die Taliban 2007 die Macht im Tal übernahmen, vertrieben sie auch die Archäologen. Die Kunstgegenstände konnten noch rechtzeitig aus dem Museum gerettet werden. Aber das Museumsgebäude sei den Taliban schutzlos ausgeliefert gewesen, erinnert sich der Kurator.
Steinhaufen oder ein Werk des Teufels
Im Februar 2008 sprengten die Terroristen ein Fahrzeug vor dem Museum in die Luft. Das Gebäude erlitt schweren Schaden. Erst nachdem die Taliban 2009 vertrieben waren, kehrten auch die italienischen Archäologen zurück. Sie bauten das Museum wieder auf.
Anfang Dezember wurde es jetzt wieder eröffnet. Doch die ausländischen Besucher brauchen eine Spezialbewilligung. Und die lokale Bevölkerung sieht in den buddhistischen Überresten im besten Fall Steinhaufen, wie die Schafhirten. Und im schlimmsten Fall ein Werk des Teufels, das beseitigt werden muss. Einige Bewohner haben Stupas abgetragen, um mit den Steinen Häuser zu bauen. Andere haben sie zerstört, um auf dem frei gewordenen Platz Gemüse anzubauen.
Vergessen scheint, dass der Islam erst im 11. Jahrhundert ins Swat-Tal eingezogen war. Aus Sicht der Archäologie ist er eine neue religiöse Erscheinung. Aus buddhistischer Sicht die Bestätigung, dass sich alles wandelt.